Scientific Kalender März 2020
Behandlung der venösen Thromboembolie (VTE) bei Krebspatienten
Welcher Therapiestandard wird bei der Behandlung der akuten krebsassoziierten Thrombose angewendet?
Niedermolekulares Heparin (NMH)
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK, z. B. Apixaban)
Vitamin-K-Antagonisten (VKA)
Congratulations!
That's the correct answer!
Sorry! That´s not completely correct!
Please try again
Sorry! That's not the correct answer!
Please try again
Notice
Please select at least one answer
Wissenschaftliche Hintergrundinformationen
Krebspatienten haben im Vergleich zu nicht an Krebs erkrankten Personen ein deutlich höheres Risiko, eine venöse Thromboembolie (VTE) zu entwickeln. Das höhere Risiko wird durch verschiedene Faktoren hervorgerufen, z. B. den Krebs selbst, therapiebedingte und patientenbedingte Faktoren und ihre Kombination. [1] Die optimale VTE-Prävention und -Behandlung sind wesentliche Bestandteile der Patientenversorgung, weil Patienten mit krebsassoziierter Thrombose (CAT) ein erheblich kürzeres Gesamtüberleben haben als Krebspatienten ohne Thrombose. Eine unzureichende VTE-Prävention und -Behandlung kann Auswirkungen auf die Lebensqualität haben, die Krebstherapie verzögern oder zu Komplikationen wie rezidivierender VTE und/oder Blutung führen.
Im Rahmen mehrerer Studien wurde die optimale Therapie zur Primärprävention der Thrombose bei Krebspatienten untersucht. Patienten mit aktivem oder neu diagnostiziertem Krebs, die ins Krankenhaus aufgenommen werden, sollten während ihres Krankenhausaufenthalts Thromboseprophylaxe erhalten, sofern keine klinischen Kontraindikationen vorliegen. Bei ambulanten Patienten mit aktivem Krebs sollte das Thromboserisiko beurteilt werden. Obwohl die meisten keine regelmäßige Thromboseprophylaxe benötigen, sollten sie generell als Hochrisikopatienten betrachtet werden. Nicht empfohlen wird die routinemäßige Anwendung von Antikoagulanzien in prophylaktischer oder therapeutischer Dosis zur Prävention der katheterassoziierten Thrombose bei Krebspatienten und Patienten ohne VTE in der Anamnese, die adjuvante Hormontherapien gegen Krebs erhalten, weil die Thromboseprophylaxe das VTE-Risiko nicht signifikant senkt. [2]
Neueste Daten haben eine signifikante Reduzierung des Auftretens der tiefen Venenthrombose (TVT) bei Krebspatienten, die perioperativ eine pharmakologische Thromboseprophylaxe erhalten, im Vergleich zu Krebspatienten ohne Prophylaxe nachgewiesen. Die Daten haben gezeigt, dass das Blutungsrisiko akzeptabel bleibt und keine Unterschiede bei Mortalität und Lungenembolie bestehen. [3] Das VTE-Risiko wird weiter gesenkt, wenn die Thromboseprophylaxe auf einen Zeitraum von zwei bis sechs Wochen nach bestimmten Krebsoperationen (z. B. Bauch- und Beckenoperationen) ausgedehnt wird. [4, 5]
Niedermolekulares Heparin (NMH) ist seit Jahrzehnten der Therapiestandard für die Behandlung der akuten krebsassoziierten Thrombose und wird in allen wichtigen Richtlinien für die Prophylaxe von Krankenhauspatienten mit aktivem Krebs empfohlen. [6–8] Die Richtlinien empfehlen allerdings nicht die Anwendung zur routinemäßigen VTE-Prophylaxe bei allen Krebspatienten. Nur bei Patienten mit sehr hohem VTE-Risiko (z. B. Patienten mit Magen-, Bauchspeicheldrüsen-, Lungen- und Hodenkrebs sowie Lymphom-Patienten) sollte die NMH-Behandlung generell in Betracht gezogen werden. [6–9] Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) senkt NMH das Risiko der rezidivierenden VTE, ohne das Risiko von größeren Blutungsereignissen zu erhöhen. Patienten mit krebsassoziierter Thrombose (CAT), die 6 Monate lang mit NMH behandelt werden, haben eine erheblich geringere VTE-Rezidivrate nach 6 Monaten als CAT-Patienten unter konventioneller Therapie mit VKA. [10–12] NMH in therapeutischer Dosis muss bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung sorgfältig erwogen werden, weil es Hinweise auf eine höhere Prävalenz größerer Blutungsereignisse bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Vergleich zu Patienten mit normaler Nierenfunktion gibt. [13] Dies kann zu einer Reduzierung der Dosis führen oder eine Anti-Xa-Überwachung erforderlich machen.
Eine Alternative zu NMH bei Krebspatienten mit Langzeittherapien könnte eine orale Antikoagulanstherapie sein, wenn der Patient die täglichen Injektionen nicht wünscht, die nach 6 Monaten bei NMH notwendig sind. Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) wurden im Jahr 2008 eingeführt. Derzeit werden fünf DOAKs auf dem Markt angeboten, aber nur vier DOAKs sind in Europa zur Behandlung der TVT und/oder LE zugelassen: Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban. Alle haben bei Krebspatienten nachweislich eine mit VKA vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit, aber bei Patienten unter DOAK-Therapie sind die Risiken einer rezidivierenden VTE und die Blutungsrisiken geringer. [14, 15]
Die in jüngster Zeit veröffentlichten Daten zum Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von DOAKs mit NMH bei Krebspatienten sind positiv. DOAKs sind mindestens ebenso wirksam wie NMH für die Prävention der rezidivierenden VTE, aber sie erhöhen das Risiko größerer Blutungen, hauptsächlich im Magen-Darm-Trakt. Bei Patienten, die mit DOAKs behandelt werden, treten jedoch weniger schwere Blutungen auf. [16, 17]
VKA sollten eine „dritte Wahl“ für Krebspatienten sein und in Situationen zur Anwendung kommen, in denen weder ein DOAK noch NMH allein möglich ist. VKA sind weniger wirksam als NMH bei der Prävention der rezidivierenden krebsassoziierten VTE, denn sie sind durch langsamen Eintritt und langsames Abklingen der Wirkung gekennzeichnet, es treten Wechselwirkungen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln auf und sie erfordern eine häufige Laborüberwachung und Dosisanpassung. [18] Aus diesem Grund wird die VKA-Therapie in den wichtigsten Richtlinien nicht dringend als bevorzugte Therapie der krebsassoziierten Thrombose empfohlen, obwohl sie weiterhin umfassend bei CAT-Patienten zur Anwendung kommt. [19]
Literatur
[1] Prandoni P., Lensing A.W.A., Piccioli A. et al. Recurrent venous thromboembolism and bleeding complications during anticoagulant treatment in patients with cancer and venous thrombosis. Blood 2002;100(10):3484–88.
[2] Watson et al. Guideline on aspects of cancer-related venous thrombosis. British Journal of Haematology, 2015, 170, 640–648.
[3] Guo Q, Huang B, Zhao J, et al. Perioperative pharmacological thromboprophylaxis in patients with cancer: a systematic review and meta-analysis. Ann Surg. 2017;265:1087–93.
[4] Fagarasanu A, Alotaibi GS, Hrimiuc R, Lee AY, Wu C. Role of extended thromboprophylaxis after abdominal and pelvic surgery in cancer patients: a systematic review and meta-analysis. Ann Surg Oncol. 2016;23:1422–30.
[5] NICE. Venous thromboembolism: reducing the risk: reducing the risk of venous thromboembolism (deep vein thrombosis and pulmonary embolism) in patients admitted to hospital. Clinical Guideline 92. National Institute for Health and Clinical Excellence, London. 2010.
[6] Kearon C, Akl EA, Ornelas J, et al. Antithrombotic therapy for VTE disease: CHEST guideline and expert panel report. Chest. 2016;149:315–52.
[7] Lyman GH, Bohlke K, Falanga A, et al.; American Society of Clinical Oncology. Venous thromboembolism prophylaxis and treatment in patients with cancer: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline update. J Oncol Pract. 2015;11:e442–4.
[8] Streiff MB, Holmstrom B, Ashrani A, et al. Cancer-associated venous thromboembolic disease, version 1.2015. J Natl Compr Canc Netw. 2015;13:1079–95.
[9] Mandale et al. Management of venous thromboembolism (VTE) in cancer patients: ESMO Clinical Practice Guideline. Ann Oncol 2011.; 22 Suppl 6:vi85-92.
[10] Lee et al. Low-molecular-weight heparin versus a coumarin for the prevention of recurrent venous thromboembolism in patients with cancer. New England Journal of Medicine. 2003; 349, 146–153.
[11] Meyer et al. Comparison of low-molecular-weight heparin and warfarin for the secondary prevention of venous thromboembolism in patients with cancer: a randomized controlled study. Archives of Internal Medicine. 2002; 162, 1729–1735.
[12] Hull et al. Long-term low-molecular-weight heparin versus usual care in proximal-vein thrombosis patients with cancer. American Journal of Medicine, 119, 1062–1072.2006.
[13] Hetzel et al. The heparins: all a nephrologist should know. Nephrology Dialysis Transplantation, Volume 20, Issue 10, October 2005, Pages 2036–2042.
[14] Vedovati et al. Direct oral anticoagulants in patients with VTE and cancer: a systematic review and meta-analysis. Chest. 2015;147:475–83.
[15] Carrier et al. Efficacy and safety of anticoagulant therapy for the treatment of acute cancer-associated thrombosis: a systematic review and meta-analysis. Thromb Res. 2014;134:1214–9.
[16] Li et al. Direct oral anticoagulant (DOAC) versus low-molecular-weight heparin (LMWH) for treatment of cancer associatd thrombosis (CAT): a systemic review and meta-analysis. Thromb Res. 2018. https://10.1016/j.thromres.2018.02.144. thromres.2018.02.144.
[17] Young A.M., Marshall A., Thirlwall J. et al. Comparison of an oral factor Xa inhibitor with low molecular weight heparin in patients with cancer with venous thromboembolism: results of a randomized trial (SELECT-D). J Clin Oncol. 2018;36(20):2017–23.
[18] Lee, A.Y. Treatment of established thrombotic events in patients with cancer. Thrombosis Research, 129(Suppl 1) 2012, S146–S153.
[19] Khorana et al. Current practice patterns and patient persistence with anticoagulant treatments for cancer-associated thrombosis. Res Pract Thromb Haemost. 2017;1:14–22.