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Ein ganz besonderer Saft

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2022

Das Verfahren der Liquid Biopsy revolutioniert die Diagnostik. Aber um das Potenzial voll zu nutzen, braucht es hochsensible Analysegeräte.

Text Dr. Barbara Behrens

Schon Goethe wusste, dass „Blut ein ganz besonderer Saft“ ist. So ließ der berühmte deutsche Dichter Mephistopheles sprechen, als er Faust in dessen Studierzimmer aufsucht und auffordert, den teuflischen Pakt mit einem Tröpfchen Blut zu unterzeichnen. Fast scheint es, als ob Goethe damals schon die spätere Bedeutung von Blut für die moderne Medizin erahnt hatte. Neben zahlreichen Diagnosemöglichkeiten, zum Beispiel für hämatologische Krebserkrankungen, lassen sich nun sogar auch solide Tumoren im Blut nachweisen.

Dieses Liquid Biopsy genannte Verfahren wurde von der Zeitschrift „Scientific American“ zusammen mit den Fachleuten des World Economic Forums 2018 zur vielversprechendsten Technologie der kommenden Jahre gewählt. Auch die Anzahl an Veröffentlichungen zeigt das steigende Interesse an Liquid Biopsy. Während es im Jahr 2000 nur 63 Veröffentlichungen waren, lag die Zahl 20 Jahre später schon bei 1.783. Aber wie ist ihr tatsächlicher Stellenwert in der heutigen Routinediagnostik?

Aktuelle Anwendungen

Die Analytik solider Tumoren aus dem Blut durch die Detektion und Bestimmung der Mutationen von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) findet ihre Anwendung aktuell insbesondere in der Companion Diagnostic (Begleitdiagnostik). Hierbei werden Onkogene auf Treibermutationen untersucht, deren Auftreten oder Ausschließen Voraussetzung für zielgerichtete Therapien ist, die aktuell insbesondere bei fortgeschrittenen Stadien einer Krebserkrankung zum Einsatz kommen. Die Detektion aus dem Blut kommt immer dann zum Tragen, wenn keine ausreichende Menge an Gewebe vorliegt, was in metastasierten Zuständen durchaus häufig auftritt.

Companion Diagnostic wird heute routinemäßig aus dem Blut für die Mutationsdiagnostik des EGFR-Gens beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom und des PIK3CA-Gens beim Mammakarzinom durchgeführt. Für beide Anwendungen wurden bereits EBM-Codes etabliert, sodass diese Liquid-Biopsy-Diagnostik erstattet wird. Zugelassen, aber noch nicht erstattbar sind der Ausschluss von Treibermutationen im RAS-Gen beim kolorektalen Karzinom und die Diagnostik der Mutationen in den Genen BRAF und NRAS beim malignen Melanom.

Potenzial noch nicht ausgereizt

Die Anwendung von Liquid Biopsy in der Companion Diagnostic ist nur ein kleiner Anfang und reizt die Möglichkeiten der Methode noch lange nicht aus. Denn die Technologie hat das Potenzial zur wirklichen Personalisierung der Krebstherapie. Die Quantifizierung der ctDNA kann im Blut bereits zwei Wochen nach der ersten Therapiesitzung Hinweise auf ein Ansprechen oder Versagen der Therapien geben. Die ctDNA verhält sich hier wie eine Achterbahn, die dem Tumorwachstum folgt. Bei Stagnation oder Schrumpfen des Tumors sinkt der Gehalt an ctDNA deutlich ab, bei Tumorwachstum steigt der Gehalt an. Die aktuelle Methode der Beurteilung des Therapieansprechens ist die Bildgebung, die erst nach etwa drei Monaten erste Erkenntnisse liefern kann. Darüber hinaus hilft die Detektion von ctDNA beim frühzeitigen Erkennen von Rezidiventwicklung. Bis zu einem ganzen Jahr, bevor ein Rezidiv in der Bildgebung sichtbar wird, kann die Tumor-DNA bereits im Blut erkannt werden. Eine der vielversprechendsten Möglichkeiten ist das Erkennen von minimaler Resterkrankung (MRD) nach einer Operation oder Therapie. Hierbei wird über die hochsensitive Analytik das Auftreten von ctDNA detektiert und beurteilt, ob sich noch verbleibendes Tumorgewebe (Reste des Primärtumors oder Metastasen) im Körper befindet. Als Konsequenz kann das behandelnde medizinische Personal die nachfolgende Behandlung anpassen, intensivieren oder reduzieren.

Ein Beispiel sind Darmkrebspatientinnen und -patienten in frühen Stadien (Stadium II und III). Hier kann über das Erkennen von MRD eine deutlich bessere Voraussage zur Rezidiventwicklung gegeben werden als über die aktuell angewandte Methode. Bei der herkömmlichen Methode (Untersuchung von Lymphknoten auf Metastasen und Risikofaktoren) hat ein Risikopatient nach der chirurgischen Entfernung des Primärtumors ein 3,3-fach erhöhtes Risiko, binnen der nächsten fünf Jahre ein Rezidiv zu entwickeln (Tie et al. 2016).

Kann hingegen nach der Operation noch ctDNA im Blut nachgewiesen werden, so ist das Risiko, bereits nach zwei Jahren ein Rezidiv zu entwickeln, um das 18-fache erhöht (Tie et al. 2016). Die Entscheidung, ob eine Patientin oder ein Patient eine Chemotherapie bekommt oder nicht, wird aktuell routinemäßig noch auf Basis des herkömmlichen Stagings durchgeführt. Es erstaunt also nicht, dass die Erfolgsrate der Chemotherapie bei Darmkrebs in frühen Stadien noch enttäuschend schlecht ist. In einer brandaktuellen Veröffentlichung von 2022 (Tie et al.) wurde nun gezeigt, dass das Vorhandensein von ctDNA allerdings eine deutlich bessere Grundlage bieten würde. So wurde in dieser prospektiven randomisierten Studie in Australien gezeigt, dass die Anzahl der Erkrankten, die eine Chemotherapie bekommen, bei gleichem Outcome halbiert werden kann, wenn die Selektion für eine Chemotherapie basierend auf Vorhandensein von ctDNA im Blut getroffen wird. Dies bedeutet, dass etwa 50 Prozent der Patientinnen und Patienten bislang von der Chemotherapie nicht profitieren, sondern nur die durchaus beträchtlichen Nebenwirkungen erleiden müssen. Hoffen wir also, dass die Analytik der ctDNA bald Einzug in die Routine halten wird. Die ctDNA-Analytik dieser Studie wurde in der Johns Hopkins Universität mit der SafeSeq-Technologie durchgeführt, auf der auch die Sysmex Plasma-SeqSensei™-Tests basieren.

Hier und bei anderen Anwendungen in der Krebsdiagnostik verspricht die Liquid Biopsy eine deutliche Verbesserung. Benötigt wird dafür jedoch eine sehr sensitive Analytik, die auch kleinste Mengen an ctDNA im Blut aufspüren kann. Wichtig ist darüber hinaus eine gute Quantifizierung der Messergebnisse, um das Zu- und Abnehmen der ctDNA in absoluten Zahlen abbilden zu können. An dieser Stelle kommt nun Plasma-SeqSensei™ ins Spiel, ein neuer Test entwickelt von Sysmex Inostics, einer der Vorreiterfirmen der Liquid Biopsy.

Das Testverfahren basiert auf der Next-Gen-Sequencing-Technologie, das dank der hohen analytischen Sensitivität eine mutierte Allelfraktion (MAF) von 0,07 Prozent (bei 10.000 Genomäquivalenten Input-DNA) im Blut reproduzierbar detektiert. Das Detektionslimit (LOD) beträgt sieben mutierte Moleküle, die in der eingesetzten Probe sicher quantifiziert werden können. Die Sequenzierung erfolgt auf Geräten der Firma Illumina, die in den meisten Laboren bereits vorhanden sind. Die Auswertesoftware kann einfach heruntergeladen werden und ermöglicht eine automatisierte Datenanalyse, die Erstellung von QC- und Mutationsberichten für jede Probe inklusive Validitätsprüfung der erzielten Ergebnisse und gibt einen umfangreichen Bericht über die Qualität der Sequenzierung aus.

Seit Mai 2022 sind zwei der Plasma-SeqSensei™ Test-Kits als IVD-Diagnostikum zugelassen: Das PAN Cancer Panel, das die wichtigen Amplikons der Gene KRAS, NRAS, BRAF, PIK3CA und EGFR untersucht und sich für die Anwendung des kolorektalen Karzinoms, des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms, des Melanoms und des Schilddrüsenkarzinoms anbietet. Und das Brustkrebspanel, das die wichtigen Amplikons der Gene AKT1, ERBB2, PIK3CA, TP53 und KRAS sequenziert.

Und so hat Goethe am Ende recht behalten: Das Blut ist wirklich ein ganz besonderer Saft, und die Analytik solider Tumoren wird ihren erfolgreichen Lauf nehmen. Und erst dann wird eine echte personalisierte Krebstherapie möglich sein – für das frühere Erkennen von Rezidiven, das zeitnahe Monitoring des Erfolgs oder Misserfolgs der Therapien und insbesondere für das Erkennen von minimaler Resterkrankung. Mit hochsensitiven und quantifizierbaren Testverfahren wie Plasma-SeqSensei™ kann die Zukunft schon heute beginnen.

Für uns ist eine hohe Sensitivität von Test-Kits entscheidend. Denn nur wenn Tests zellfreie Tumor-DNA im Blut hochsensitiv erkennen, ergibt sich ein maximaler Mehrwert für Patienten

Dr. Maria Elisabeth Mustafa

Liquid Profiling wird wichtiger

Über die Chancen, Einsatzbereiche und Zukunftsvisionen der Liquid Biopsy spricht die Fachärztin für Labordiagnostik Dr. Maria Elisabeth Mustafa.

Frau Dr. Mustafa, was sind Ihre medizinischen Aufgaben und welche Chancen bringt die Liquid Biopsy aus Ihrer Sicht für die Diagnostik von Krebserkrankungen?

Ich habe Humanmedizin an der Uni Wien studiert und war anschließend am AKH Wien forschend tätig. Heute bin ich ärztliche Leiterin der privaten Krankenanstalt Medizinisch-diagnostisches Laboratorium Dr. Holzer GmbH und Partnerin von medilab Labor Dr. Mustafa, Dr. Richter. Einmal vorweg: Unter Labormedizinern ist es so, dass wir den Begriff Liquid Biopsy gern durch Liquid Profiling ersetzen würden. Denn das Verfahren hat genau den Vorteil, dass den Patienten eine Biopsie, also eine Gewebeentnahme, erspart bleibt. Beim Liquid Profiling wird einfach Blut abgenommen, was für Patienten viel schonender ist. Für Mediziner bringt die zellfreie Tumor-DNA aus dem Blut ebenfalls viele Vorteile. Diese liefert ein umfassendes Bild über therapierelevante Mutationen in Echtzeit, während die Gewebebiopsie lediglich Mutationen entnommener Zellen zum Biopsiezeitpunkt aufzeigt.

Sie haben sich dafür entschieden, Plasma-SeqSensei™ Test-Kits im medilab-Labor zu nutzen. Wie kam es dazu?

Für uns ist eine hohe Sensitivität von Test-Kits entscheidend. Denn nur, wenn Tests zellfreie Tumor-DNA im Blut hochsensitiv erkennen, ergibt sich ein maximaler Mehrwert für Patienten. Plasma-SeqSensei™ hat uns deswegen überzeugt. Dadurch, dass der Test in klinischen Studien erprobt sowie die hohe Sensitivität belegt ist, können wir Plasma-SeqSensei™ in die Routine bringen, sodass alle Patienten davon profitieren. Die kurze Durchlaufzeit und die Möglichkeit der Automatisierung in der Datenanalyse sowie in den Qualitätskontrollen sind für uns außerdem vorteilhaft. Ein anderer wichtiger Punkt: Der Test lässt sich einfach durchführen und problemlos auswerten. Dank des tollen technischen Supports konnten wir binnen kurzer Zeit die Sequenzierung übernehmen.

Für welche Indikationen wollen Sie Liquid Profiling insgesamt zukünftig einsetzen?

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir Liquid Profiling in vielen Bereichen der onkologischen Diagnostik routinemäßig einsetzen werden. Dazu gehört das molekulare Profiling von Tumoren, die Einschätzung der Prognose, die Überprüfung des Therapieerfolgs und das Monitoring der minimalen Resterkrankung.

Apropos minimale Resterkrankung: Direkt nach Ihrem Studium waren Sie daran beteiligt, den Einsatz von Liquid Biopsy genau dafür zu untersuchen, richtig?

Genau. Es ging darum, das Auftreten minimaler Resterkrankungen bei Patienten mit Promyelozytenleukämie, einer Unterform der AML, zu monitoren. Bei 95 Prozent der Erkrankten liegt eine Translokation zwischen den Chromosomen 15 und 17 vor, und wir haben dann die Rezidivrate im Knochenmark mit der im Blut verglichen und geschaut, wann sich diese jeweils feststellen lassen. Damals haben wir gezeigt, dass sich ein solches Rezidiv im Blut bereits zwei bis drei Monate früher erkennen lässt, als es morphologisch im Knochenmark sichtbar wird. Es hat dann noch sehr lange gedauert, bis es diese Diagnostik in die Routine geschafft hat.

Was sind Ihre Hoffnungen für die Zukunft?

Wir wünschen uns, dass die Therapie onkologischer Erkrankungen noch mehr ambulant erfolgen kann und den Patienten damit ein stationärer Aufenthalt erspart bleibt. Damit das gelingen kann, braucht es hohe Qualitätsstandards in der Diagnostik – und Liquid Profiling wird an Bedeutung gewinnen.

 

Summary

  • Mit der Liquid Biopsy stehen Diagnostikmöglichkeiten aus dem Blut zur Verfügung, um die Therapie solider Tumoren zu verbessern
  • Dafür werden hochsensitive Analytiksysteme benötigt, wie sie etwa Sysmex Inostics mit dem Plasma-SeqSensei™-Testverfahren anbietet
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