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NGS in der Krebsdiagnostik

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2024

Oskar Schnappauf, Professor für Humangenetik und Gentechnologie, erläutert, warum Next Generation Sequenzing (NGS) in der medizinischen (Krebs-)Diagnostik einen immer größeren Stellenwert erlangt

Text: Dr. Jendrik Marbach

Was ist das Spezifische an der NGS in der Krebsdiagnostik?

Krebserkrankungen, die das blutbildende System betreffen (hämatologische Neoplasien), sind mit sieben Prozent die fünfthäufigsten Krebsneuerkrankungen bei Erwachsenen und machen etwa 35 Prozent aller Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen aus. Angesichts der enormen Heterogenität kann die NGS bisher angewendete Diagnosemethoden ergänzen und somit effektiv zur Diagnose, Prognose, Therapiewahl und zur Krankheitsüberwachung beitragen.

Der Zweck molekularer Tests bei hämatologischen Neoplasien besteht darin, gut charakterisierte Varianten, sogenannte Treibermutationen, zu identifizieren, die für die Wahl einer geeigneten Therapie ausschlaggebend sein können. Während vor dem Aufkommen von NGS häufig zeitaufwendige Einzelgentests durchgeführt wurden, kann nun die Sequenzierung einer Vielzahl von Krankheitsgenen parallel erfolgen, wodurch sich rasch und kosteneffizient ein spezifischer Einblick in die individuelle Pathogenese gewinnen lässt.

Welche NGS-Panels werden auf dem Gebiet typischerweise angewendet?

Obwohl Genom- beziehungsweise Exomsequenzierungen die größere Informationsbreite liefern, beschränken sich die derzeitigen diagnostischen NGS-Assays – vor allem im Bereich der hämatologischen Neoplasien – aufgrund der hohen Kosten und der längeren Befundungszeit in der Regel auf sogenannte Genpanels, die eine unterschiedliche Anzahl an Tumorgenen analysieren. Zielgerichtete Hotspot-(Gen-)Panels, die bis zu 50 Gene abdecken und darauf ausgelegt sind, wiederkehrende, gut charakterisierte Veränderungen zu erkennen, bieten als Vorteile die weniger komplizierte bioinformatische Auswertung, eine hohe Abdeckung von > 1000 x und eine schnelle Befundungszeit. Zudem erlauben zielgerichtete Genpanels eine kostengünstigere Sequenzierung im Vergleich zur Exom- oder Genomsequenzierung, die Beschränkung der Panels auf selektive Zielregionen und damit ein geringeres Risiko von Zufallsbefunden, und eine hohe Sequenzabdeckung der Zielbereiche. Breiter angelegte Panels mit oft mehreren Hundert Genen können zwar zusätzliche Arten von Veränderungen nachweisen, erhöhen aber gleichzeitig die Befundungszeit und führen zu einer reduzierten Gesamtabdeckung. Mit zunehmender Genzahl der Panels wächst auch die Interpretationslast für die klinischen Labore. In großen Panels werden zunehmend Varianten mit unklarer Signifikanz identifiziert, die zu einer unnötigen Belastung für Patienten führen können. Klinische Labore stehen daher vor der Frage, welche NGS-Technologie die beste analytische Sensitivität und Spezifizität und somit den besten klinischen Nutzen für ihr Budget und ihre Patienten bietet. Dabei spielt das klinische Bild der Patientin oder des Patienten bei der Auswahl natürlich die übergeordnete Rolle.

Welche neuen oder weiteren NGS-Anwendungen oder Entwicklungen sehen Sie in naher Zukunft?

Künftig werden sich vermutlich Hybrid-Capture-Panels etablieren, die den Nachweis von DNA- und RNA-basierten Veränderungen in einem einzigen Assay ermöglichen. Mit weiter sinkenden Kosten für NGS und fortschreitendem Ausbau der informatischen Infrastruktur wird sich die Verwendung von genom- oder transkriptomweiten Assays wie Genom- und RNA- Sequenzierung vermehrt durchsetzen, und auch die Analyse von Minimal/Measurable Residual Disease, kurz: MRD, wird – eine hohe Sequenziertiefe vorausgesetzt – zunehmend Verbreitung finden. Eine große Herausforderung wird die Interpretation der stetig wachsenden Menge an Genomdaten sein, die von geschulten und zertifizierten Molekulardiagnostikerinnen und -diagnostikern durchgeführt werden sollte.


Professor Oskar Schnappauf

forschte mehrere Jahre in den USA am National Human Genome Research Institute und beschäftigte sich dort mit der Identifikation, Charakterisierung und Behandlung von seltenen entzündlichen Erkrankungen. Jetzt lehrt und forscht er an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg am Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Humangenetik und Gentechnologie


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