Sysmex Austria
Menu

POCT-Analytik im ewigen Eis

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2024

Point-of-Care-Systeme von Hitado gibt es überall, wo präzise Analytik gebraucht wird – zum Beispiel auf der Forschungsstation Neumayer-III in der Antarktis. Über das wohl entlegenste Labor der Welt spricht der ehemalige Stationsleiter und Polarmediziner Dr. Tim Heitland

Text: Verena Fischer

Sternenklarer Himmel, die Milchstraße zum Greifen nah, glitzernde Eislandschaften im Scheinwerferlicht des Mondes und Pinguine. Der Polarmediziner Tim Heitland liebt die monatelange Polarnacht der Antarktis: „An einigen Tagen gleicht sie einem sphärischen Erlebnis“, sagt er und erinnert sich gern an die 14 Monate zurück, die er als Stationsleiter zwischen 2016 und 2018 auf der Neumayer-III-Forschungsstation inmitten von Schnee und Eis verbracht hat. „Als ich die Stellenanzeige im ,Ärzteblatt‘ las, wusste ich sofort, dass das der richtige Schritt für mich ist“, erzählt der gebürtige Tübinger. Bis er die Bewerbung beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven einreichte, dauerte es aber noch ein paar Jahre. Dann ging alles ganz schnell: Die Zusage kam und die Antarktis rückte näher – hautnah.

„Ich mochte den Winter schon immer“

DR. TIM HEITLAND, MHBA

Irgendwo im Nirgendwo

Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung, betreibt die Neumayer-III-Station in der Antarktis schon seit 1981 – heute in der dritten Generation. Und seit einem Jahr sind zwei POCT-Analysesysteme von dem Sysmex Unternehmen Hitado mit vor Ort – und zwar der Hemato Analyser pocH-100i sowie der Piccolo Xpress Analyser für die Klinische Chemie. „Als wir Ersatz für unsere alten Laborsysteme benötigten, habe ich als medizinischer Koordinator recherchiert, welche POCT-Systeme für die Polarstation am besten passen, und bin dabei auf Hitado gestoßen“, berichtet Heitland, der zuvor als Chirurg praktizierte und kaum direkten Kontakt mit Laboranalytik hatte. „Es hat alles super geklappt“, sagt er. Die Systeme wurden von Hitado nach Bremerhaven geliefert und dann vom Forschungsteam auf den Weg in den Süden gebracht: per Flugzeug über Kapstadt bis in die Antarktis.

Nach langem Flug gelandet, installierte die Stationsärztin die Systeme im modern ausgestatteten Hospitallabor der Forschungsstation Neumayer-III ganz einfach selbst. „Das war völlig unproblematisch“, berichtet Heitland. Bis heute habe es keinerlei Schwierigkeiten gegeben: „Alles funktioniert einwandfrei“, sagt er. Sollte es eines Tages doch zu Problemen kommen, könne die praktizierende Stationsärztin problemlos die Hitado Installationsassistenz via Skype kontaktieren. „Über ein Satellitennetzwerk haben wir mittlerweile in der Antarktis durchgehend sehr schnelles Internet“, erwähnt er.

Das südlichste Labor der Welt

Die Hitado Systeme haben mehr als 15.000 Kilometer zurückgelegt, um ihr Ziel zu erreichen – vermutlich ein Distanzweltrekord für POCT-Analysesysteme. Das Antarktislabor ist Teil eines sehr gut ausgestatteten Hospitals. Zu diesem gehören unter anderem ein voll funktionsfähiger OP-Saal, verschiedene Röntgenanlagen, ein Videolaryngoskop, 12-Kanal-EKG, Ultraschall sowie ein Impressionstonometer zur Messung des Augeninnendrucks.

„Obwohl es bisher keine nennenswerten Erkrankungen unter den Teammitgliedern gegeben hat, halten wir eine sehr aufwendige medizinische Infrastruktur für Notfälle vor“, erklärt der Mediziner. Schließlich sei die Station von der Außenwelt abgeschottet. Vor allem im antarktischen Winter gebe es keine Möglichkeit, Notfälle extern zu versorgen. „Wir müssen handlungsfähig sein, sollte ein Ernstfall eintreten.“

Damit es dazu nicht kommt, werden Forschende im Vorhinein gründlich untersucht – anreisen darf nur, wer komplett gesund ist. „In der Antarktis gibt es wenig Krankheitserreger und Allergene“, berichtet Heitland. Was aber, trotz aller Vorkehrungen, vorkommen kann, sind Arbeitsverletzungen – Zerrungen, Stauchungen oder kleine Erfrierungen seien typisch.

Das Entzündungsgeschehen spiegeln

„Wenn jemand zum Beispiel bluten sollte oder eine Infektion vermutet wird, dann können wir mithilfe der POCT-Analysesysteme den Hb-Wert und Entzündungsparameter messen“, schildert der Mediziner. „Anhand des CRP-Werts lässt sich die Entzündungsdiagnostik noch verbessern.“ Und das sei wichtig, denn es gibt vor Ort zwar Ultraschall- und Röntgengeräte, nicht aber MRT und CT. „Wir sind daher froh, dass wir mittels POCT-Analytik differenzierte Informationen über das Entzündungsgeschehen gewinnen können.“

Auch Parameter für die Nierenfunktionsdiagnostik sowie hepatobiliäre Analysen sind wichtig: „Organerkrankungen besser ausschließen zu können, ist im Zweifel entscheidend.“ Sollte eine OP anstehen, wird diese in Echtzeit vom Kontaktkrankenhaus Reinkenheide in Bremerhaven via Telemedizin überwacht. „Die Kollegen sehen dann alle Vitalparameter in Echtzeit“, erklärt Heitland, der an der Operation eines komplizierten Sprunggelenkbruchs im Hospital der Neumayer-III beteiligt war. Auch Zahnbehandlungen hat der Chirurg dort bereits durchgeführt.

Analytik für die Forschung

Zu den ärztlichen Aufgaben, die Behandelnde auf der Neumayer-III-Station übernehmen, zählt zudem auch die Betreuung medizinischer Forschungen, die unter anderem im Auftrag der Berliner Charité, der NASA sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) durchgeführt werden und die mitunter auch weltraummedizinische Fragestellungen beantworten sollen. Die Schwerpunkte der Forschung an der Neumayer-Station liegen dabei im Bereich der Polar- und Klimaforschung. Es werden dafür etwa meteorologische, geophysikalische und luftchemische Untersuchungen durchgeführt. Auch Pinguine werden von Veterinärmedizinerinnen und -medizinern sowie Biologinnen und Biologen unter die Lupe genommen. „Wir sammeln in den verschiedensten Forschungsbereichen seit mittlerweile fast 45 Jahren Daten und haben daher umfangreiche Langzeitwerte, aus denen sich wertvolle Rückschlüsse ziehen lassen“, sagt Heitland.

Da der antarktische Kontinent die größten Eismassen der Erde trägt und das Südpolarmeer erhebliche Mengen von CO2 und Wärme aufnimmt, ist die Klimaforschung in dieser Region von elementarer Bedeutung. „Die Westantarktis schmilzt massiv“, berichtet Heitland, der in diesem Sommer zum allerersten Mal in der Antarktis Regen erlebt hat.

Galaktische Studien

Neben der weltraummedizinischen Forschung wurde zwischen 2018 und 2022, zusammen mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), das Gewächshaus EDEN ISS in der Antarktis getestet – ein auf das Weltall übertragbares Paradebeispiel für den Anbau von Nutzpflanzen unter klimatisch ungünstigen Bedingungen wie der Abwesenheit von Sonnenlicht. „Das war das erste Mal, dass wir im Polarwinter regelmäßig frischen Salat essen konnten“, erinnert sich Heitland. Wann es die Menschheit tatsächlich zum Mars treibt, steht noch in den Sternen.

 

SUMMARY

  • Die Forschungsstation Neumayer-III setzt seit einem Jahr auf POCT-Analytik von Hitado
  • Von der Außenwelt abgeschottet, braucht es vor allem eine differenzierte Entzündungsdiagnostik, um Organerkrankungen besser ausschließen zu können
Copyright © Sysmex Europe SE. All rights reserved.